Thomas Ehrmann Bernhard Webers

Rechtsanwälte

 

Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe

 

Trier, den 23.01.1998 E/H

 

 

VERFASSUNGSBESCHWERDE

 

Herrn Dr. phil. Michael Schmidt-Salomon, Im Mont 12, 54309 Butzweiler;

- Beschwerdeführer -

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte Ehrmann & Webers, Trier;

 

wegen Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.12.1997 - 1 B 60.97 -

 

zeigen wir an, daß uns der Beschwerdeführer mit der Wahrnehmung seiner weiteren Interessen beauftragt hat.

 

Namens und in seinem Auftrage erheben wir hiermit

    VERFASSUNGSBESCHWERDE

 

gegen den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.12.1997 - 1 B 60.97 -.

Gerügt wird die Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

 

Begründung:

 

I.) Sachverhalt

 

Der Kläger ist Autor des Rock-Comical "Das Maria-Syndrom" welches in den Räumlichkeiten des eingetragenen Vereins Tuchfabrik Trier e.V. am 28.05., 29.05. sowie 01.06.1994 aufgeführt werden sollte.

 

Die vorgesehene öffentliche Aufführung wurde sodann mit einer Ordnungsverfügung der Stadt Trier vom 27.05.1994 mit der Begründung untersagt, daß mit der Darbietung des Kunstwerkes eine tatbestandsmäßige Handlung im Sinne von § 166 Abs. 1 und Abs. 2 StGB begangen werde. Gleichzeitig wurde die sofortige Vollziehung angeordnet. Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes blieb erfolglos; er wurde mit Beschluß des Verwaltungsgerichts Trier vom 27.05.1994 - 1 L 1080/94.TR - zurückgewiesen.

 

Mit einer von der Tuchfabrik Trier e.V. am 07.09.1994 erhobenen Klage wurde die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung begehrt. Begründet wurde die Klage im wesentlichen unter Bezug auf die in Artikel 5 Abs. 3 GG garantierte Kunstfreiheit. Erstinstanzlich wurde die Klage mit Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 01.03.1996 - 1 K 1829/94.TR - abgewiesen, wobei die in der Ordnungsverfügung vom 27.05.1994 niedergelegte Rechtsauffassung verwaltungsgerichtlich bestätigt wurde.  

Die Berufung gegen diese Entscheidung hatte keinen Erfolg; sie wurde mit Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz - zugestellt am 13.12.1996 - zurückgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht vertrat die Auffassung, daß mit der Ordnungsverfügung der Stadt Trier zu Recht eine bevorstehende strafbare Handlung nach § 166 Abs. 1 StGB abgewendet worden sei. Das Rock-Comical beschimpfe das Bekenntnis anderer im Sinne der vorgenannten Strafrechtsnorm, wobei diese Beschimpfung auch geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören. § 166 StGB schütze die in Artikel 4 Abs. 1 und 2 GG gewährleistete Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen müsse in der vorliegenden Konstellation zu Lasten der geltend gemachten Kunstfreiheit gehen. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wurde nicht zugelassen.

Gegen die vorgenannte Entscheidung wurde die Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesverwaltungsgericht erhoben, die mit Beschluß des ersten Senates vom 11.12.1997 - zugestellt am 06.01.1998 - verworfen wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht vertrat die Auffassung, daß die eingereichte Beschwerdeschrift nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genüge, da keine Rechtsfrage aufgeworfen sei, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts einer revisiongerichtlichen Klärung bedürfe. Es wurde darauf hingewiesen, daß der angesprochene Problembereich durch Urteile und Entscheidungen unterschiedlicher Bundesgerichte bereits entschieden sei. Trotz dieses formalen Hinweises hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch materiell-rechtlich nochmals mit der Problematik befaßt und die bisherige Rechtsauffassung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bestätigt.

 

II. ) Zulässigkeit

 

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig; insbesondere wurde der Rechtsweg voll ausgeschöpft.

 

Zutreffend ist zwar, daß die bislang mit der vorliegenden Problematik befaßten Instanzen eine Abwägung der Grundrechte aus Artikel 5 Abs. 3 GG einerseits und Artikel 4 Abs. 1 GG andererseits vorgenommen haben. Unterstellt wurde jedoch im Rahmen aller Abwägungen - vorausschauend, da eine Aufführung noch nicht stattgefunden hatte -, daß das Rock-Comical geeignet sei, den öffentlichen Frieden im Sinne von § 166 StGB zu stören. Keine Aussage wurde darüber getroffen, ob die Gefahr, aufgrund derer das Grundrecht auf Kunstfreiheit im Rahmen einer Abwägung zurückzutreten hat, abstrakt, wahrscheinlich oder aber konkret vorliegen muß. Es sei darauf hingewiesen, daß in der vorliegenden Konstellation die Aufführung des Kunstwerkes von vornherein untersagt wurde.

 

III.) Begründetheit

 

Vorausgeschickt sei zunächst, daß sich der zwischenzeitlich promovierte Beschwerdeführer über mehrere Jahre mit den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen von Religionen - gleich welcher Art - auseinandergesetzt hat. Soweit in dem Rock-Comical eine Gossensprache verwendet wird, geschieht dies bewußt und als künstlerisches Mittel zur Darstellung.

 

Die Frage, ob der öffentliche Friede im Sinne von § 166 StGB abstrakt oder aber konkret gefährdet sein muß, um das Zurücktreten der Kunstfreiheit zu rechtfertigen, ist von entscheidender Bedeutung. In der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird die Auffassung vertreten, daß der öffentliche Friede geschütztes Rechtsgut der vorgenannten Strafrechtsnorm als Ausdruck des Toleranzgedankens sei. Demgemäß werde nicht das Glaubensbekenntnis und auch nicht die Kirche und ihre Einrichtungen als solche geschützt, so daß es auf die Betroffenheit einer bestimmten Gruppierung auch nicht ankommen könne (OLG Karlsruhe, NStZ 19X6, S. 364; OLG Köln, NJW 1982, S. 657). Die Strafrechtsnorm schützt demgemäß in erster Linie nicht die Grundrechte aus Artikel 4 Abs. 1 GG, sondern vielmehr im Interesse aller Bürger und Gruppierungen den öffentlichen Frieden. Ob mit einem Kunstwerk der öffentliche Friede tatsächlich gestört wird, läßt sich in der Regel erst anhand der Auswirkungen nach einer Aufführung feststellen.

 

Vor einer ersten Aufführung können demzufolge nur Mutmaßungen angestellt werden, deren Ausgang letztendlich von der Betrachtungsweise eines einzigen Polizeibeamten abhängen kann, wie dies gerade vorliegend auch der Fall ist.

 

Im Rahmen einer derartigen Betrachtungsweise wird die Kunstausübung bereits im Vorfeld verhindert. Das vom Grundgesetzgeber verfolgte Ziel der Reibung und intellektuellen Auseinandersetzung kann demgemäß von vornherein nicht mehr erreicht werden.

In einer aufgeklärten, von verschiedenen Meinungen geprägten Gesellschaft wird letztendlich niemand davon ausgehen können, daß der öffentliche Friede durch die Aufführung eines Kunstwerkes ernsthaft gefährdet wird. Dies dürfte auch dann gelten, wenn es sich um ein umstrittenes Kunstwerk handelt, welches beispielsweise von einem Teil der Bevölkerung als provozierend oder geschmacklos angesehen wird. Verbale und inhaltliche Auseinandersetzungen, heftige Kritik und ähnliches erfüllen allerdings nicht die Merkmale einer ernstzunehmenden Störung des öffentlichen Friedens.

Da auch niemand in irgendeiner Form dazu gezwungen wird, sich das Rock-Comical anzuschauen bzw. sich damit zu beschäftigen, kann eine Abwägung nur zwischen der Kunstfreiheit einerseits und einer konkreten Störung des öffentlichen Friedens andererseits erfolgen. Eine Abwägungsnotwendigkeit zwischen Bekenntnisfreiheit einerseits und Kunstfreiheit andererseits ist unseres Erachtens nicht gegeben.

In der Anlage fügen wir die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Trier, des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz und des Bundesverwaltungsgerichtes in Kopie anbei.

 

Rechtsanwalt



Das Maria-Syndrom-Verfahren